Wenn ich mich mit etwas beeile, bin ich eigentlich nicht mehr daran interessiert.
Das habe ich vor einiger Zeit mal gehört und es kam mir nicht so unlogisch vor. Der Satz bleib im Ohr, oder eigentlich eher im Kopf, schwappte dort hin und her und bald merkte ich: aber ich beeile mich doch auch mit Dingen, die mich eigentlich SCHON sehr interessieren!
Hmmm… Wenn sie mich interessieren, warum beeile ich mich dann? Heißt Eile nicht, dass ich es möglichst schnell hinter mich bringen möchte? Um mich im Anschluss daran anderen Dingen zu widmen. Und zwar hoffentlich solchen, die mich noch mehr interessieren!
So ganz stimmt das leider nicht. Die Eile hat oft nicht mit dem Grad an Interesse oder Desinteresse zu tun, sondern meist mit äußeren Faktoren: etwas soll bald fertig werden, es gibt eine Deadline oder gleich nachdem ich das hier getan habe, muss ich was anderes tun, dass nicht aufschiebbar ist.
Natürlich habe ich mir diese äußeren Gründe auch alle selbst eingebrockt, denn es war ja meine Entscheidung, diese in mein Leben und auf meinen Kalender zu lassen. Dass sie tatsächlich alle interessanter für mich sind als das, womit ich mich gerade beeile – das kann ich leider nicht behaupten.
Alles was wir täglich tun, ist in ein Netz von bewussten und unbewussten Entscheidungen, von inneren und äußeren Verpflichtungen, von Loyaliät (ja, unglaublich viel tun wir ausschließlich aus Loyalität!) und anderen Werten, Absichten oder ganz einfach Impulsen eingebettet.
Dass ich mich mit etwas beeile, bedeutet nicht unbedingt, dass es mich nicht mehr interessiert. Es bedeutet nur, dass meine Gewichtung innerhalb dieses Netzes sich verschoben hat, das ich einer anderen Sache mehr Gewicht verleihe als derjenigen, die ich gerade vor mir habe.
Eigentlich ist es vielmehr so, dass ich mein Interesse verschleudere, weggebe, es von mir abtrenne – indem ich mich beeile. Eine an sich interessante Tätigkeit fordert meine Aufmerksamkeit, und die würde ich ihr auch gerne geben, „ABER“ ich hab heute noch andere Dinge zu tun, also: schnell, schnell, ich will damit fertig werden!
Wie schön wäre es, mein Leben ausschließlich mit interessanten Dingen zu verbringen! Diesen Tätigkeiten Zeit zu geben, mich ihnen hinzugeben, in ihnen aufzugehen. Davon mehr zu haben, müsste doch ein erstrebenswertes Ziel sein.
Mich in Eile zu ertappen heißt: näher hinsehen, ob die Eile aus Desinteresse kommt, oder aus dem Wegschieben des Interesses. Aus einer Verschiebung der Gewichte im oben erwähnten Netz. Aufmerksam zu sein in Hinblick auf das, was mich wirklich interessiert, bedeutet näher dem Leben zu kommen, das mich wirklich interessiert.

Peter Hauptmann, art!up Coach
Bild: Graffiti in Wien, (Ausschnitt), fotografiert am 13.4.2013 von Karin Schäfer