Warum verwende ich zum „Bebildern“ meiner Beiträge Graffitis?
Sowohl hier auf meinem Blog als auch auf meiner art!up Seite und ebenso bei vielen meiner Beiträge in den sozialen Medien verwende ich – selbst fotografierte – Graffitis als visuelle Komponente. Warum?
Zunächst einmal, weil ich denke, dass es Bilder braucht – ich aber Stockfotos nicht mag. Damit bin ich nicht alleine – und trotzdem verwenden sie so viele. Weil es einfacher ist. Aber schon alleine die Idee, einen Blog über Kunst und Kreativität mit Stockfotos zu füllen, fände ich absurd.
Ich empfinde Stockphotos (gefällt euch eigentlich „Fotos“ oder „Photos“ besser?) als absolutes Gegenteil von Kreativität.
Stockfotografie geht vom Außen zum Innen: „Was wird gebraucht?“, „Was könnten die Leute sehen wollen?“, „Was könnte für diese oder jene Situation passen?“ – nach diesen Kriterien werden Bilder geschaffen und verbreitet. Es wird ein vorangenommener Bedarf erfüllt.
Kreativität aber funktioniert genau anders herum: von Innen nach Außen.
Der kreative Prozess schafft Neues von Innen heraus. Natürlich braucht es dazu in der Regel Impulse, Eindrücke, Inspiration oder ganz einfach „Material“ von außen. Das eigentlich „kreative“ passiert aber dann innerhalb der Person, die etwas kreiert, die etwas schafft, die aus Vorhandenem Neues hervorbringt, die etwas von Innen nach Außen bringt.
Außerdem liebe ich Graffitis. Zunächst einmal wegen ihrem „öffentlichen“ Aspekt: Graffities sind Kunst, die jede°r auf der Straße sehen kann, ohne dafür in ein Museeum gehen zu müssen.
Gerade bei Graffitis zeigt sich aber auch die ewige Frage „Ist das Kunst?“ besonders ausgeprägt: von „WOW!“ bei speziell beeindruckenden Werken bis hin zu tatsächlicher Schmiererei und Vandalismus – inklusive gerichtlicher Verfolgung.
Der fließende Übergang ist überall öffentlich zu sehen und von jeder°m einzelnen Betrachter°in selbst einzuschätzen.
Ein weiterer Aspekt ist die Vergänglichkeit: In der Regel sind Graffitis ungeschütze Werke (in mehrfacher Hinsicht – dazu weiter unten noch mehr) – sie können jederzeit übermalt werden, oder entfernt. An anderen nagt der Zahn der Zeit: Verputz bröckelt ab, Sonne und Regen tragen ihren Teil bei.
Ich liebe das. Ich liebe den Übergang von bewusst gesetztem künstlerischem Akzent und natürlichem (Verfalls-)Prozess. Deshalb fotografiere ich oft auch nur die blosen Mauern, abblätternde Farbe, abfallenden Verputz, unterschiedliche Schichten, die freigelegt werden und auf diese Weise optisch spannende Muster ergeben.
Für mich ist dies die ultimative Auslegung des Ansatzes „Kunst entsteht im Auge / im Ohr / im Kopf des Betrachters“: dort, wo sich gar nicht mehr erkennen lässt, ob hier ein bewusster Gestaltungsakt vorgelegen ist, oder nur mehr der natürliche Lauf der Dinge zu Ergebnissen führt, die ich als ästhetisch ansprechend oder spannend empfinde.
Hier geben sich meine Vergangenheit als Biologe – in der ich auch viele natürliche Formen, aber auch Prozesse als schön, spannend und vor allem ästhetisch empfunden habe – und meine Gegenwart in der Welt der Kunst und der Künstler°innen die Hand.
Ein weiterer Grund, warum ich gerade Graffitis verwende, ist die – oft erzwungene, weil sonst zu Strafverfolgung führende – Anonymität der Künstler°innen.
Einerseits aus ganz banal en Gründen: ich muss auf keine Urheberrechte Rücksicht nehmen. Andererseits finde ich genau diesen Aspekt: Kunst in die Welt zu setzen, OHNE (öffentlich) die persönliche Urheberschaft zu beanspruchen, als besonders reizvoll.
Gerade WEIL es so konträr zu meinem #kunstfairteilen Anliegen ist: nämlich beim Teilen in den sozialen Medien fair zu sein und IMMER die Künstler°in, das Werk, die Urheber zu nennen – und per link zu teilen – um die Künstler°innen zu fördern, gerade deshalb finde ich die bei Graffitis oft „systemimmanente“ Anonymität der Schöpfer°innen besonders reizvoll.
Daher streife ich, wo immer ich hinkomme, durch die Straßen, fotografiere künstlerische Werke ebenso wie mich ästhetisch ansprechende Verfallsprodukte ehemaligen gestalterischen Tuns (Fassaden, Türen, Fenster, Plakatwände und ähnliches in den verschiedenen Phasen ihres Vergehens) – und verwende diese Bilder überall dort, wo ich meine Botschaft mit visuellen Elementen ergänzen möchte.