Vor Kurzem habe ich auf einem Graffiti in Málaga (oder Tarifa, wo wir in der Osterwoche waren) den Spruch gesehen „Soy lo que doy“. Das heißt wortwörtlich „Ich bin, was ich gebe“.

Auf den ersten Blick klingt das irgendwie religiös oder zumindest spirituell, ein wenig selbstverleugnend oder jedenfalls selbstlos. Trotz meiner versuchten 100% Esoterik-Freiheit muss ich aber sagen: ich denke, der Satz stimmt.

Wir sind tatsächlich, was wir geben.

Wir sind das, was wir von-uns-geben.

Auf welche Art und Weise sollten denn andere einen Eindruck davon gewinnen, wer ich bin, wenn nicht basierend auf dem, was ich sage, was ich tue, was ich in die Welt setze?

Niemand kann in einen anderen Menschen hineinsehen (zum Glück), wir können nur das wahrnehmen, was aus den anderen herauskommt. Das kann ein Gesichtsausdruck sein, Worte, Töne oder etwas, das die andere Person tut.

Dieses Tun kann vorübergehend sein – ein Streicheln, eine Berührung, eine beliebige Handlung, aber auch das Herstellen von etwas konkretem, angreifbaren, ein schöpferischer oder sogar kreativer Akt.

Ich bin, was ich gebe: alles was ich von-mir-gebe, an Worten, Tönen, Gesten, Mimik, Handlungen, real erzeugten Dingen (vom Essen bis zum Kunstwerk) definiert das, wie andere mich wahr-nehmen.

Natürlich kann ich sagen: ich bin doch mehr, als das, was andere von mir wahrnehmen.

Aber stimmt das? Versuche es doch zu definieren: was bist du noch, außer dem, was du gibst, was du von dir gibst?

Und falls da noch etwas mehr, etwas anderes ist: warum möchtest du das eigentlich nicht (auch) von-dir-geben?

Geben ist eine Chance, uns selbst kennen zu lernen. Du bist auf der Suche nach dir selbst, deinem wahren Wesen, du möchtest wissen, wer du „wirklich bist“? Dann achte auf das, was du gibst.

Was tust du, wie handelst du, was sagst du, was stellst du her? Vor allem: was, das tatsächlich aus dir, dir ganz alleine kommt, stellst du her? Dieses sind die kreativen Dingen (egal welcher Art, ob Essen, Handwerk oder Kunst) – sie sind dein „Ich“, das du gibst.

In dem du auf das achtest, was du gibst, was du geben möchtest, was du geben kannst (und eventuell auch die Skills lernst, um mehr oder besseres zu geben), erfährst du, wer du selbst bist.

„Wer“ ist übrigens nicht „was“ und schon gar nicht „wieviel“: da ist keinerlei Wertung dabei. Es geht nicht darum, aus dem, was wir geben, zu bewerten, was wir „wert sind“ – das „wer ich bin“ ist vollkommen wertfrei.

Du bist, wer du bist, und du erkennst es an dem, was du gibst.

Ein fundamentaler Irrtum ist, zu glauben, dass „Geben“ selbstlos ist. Es ist im Gegenteil selbst-voll, denn nur dann macht es Sinn: wenn in erkenne, das in dem, was ich gebe, ich mich selbst definiere, dann ist es voll von mir selbst.

Je mehr ich gebe, desto mehr werde ich ich selbst.

Und noch ein Gedanke der sich daraus ergibt: „Geben“ bedeutet keinesfalls „umsonst (gratis) geben“. Auch wenn ich für das, was ich gebe, Geld bekomme, bleibt es ein Geben.

Denn solange ich weiß, dass es ein Teil von mir ist, den ich gebe und ich den Wert dessen, was ich bin, und den Wert dessen, was ich gebe, erkenne und anerkenne, ist es auch ok, dafür eine angemessene Gegenleistung zu bekommen.

Denn umgekehrt würde es ja bedeuten, dass ich dem, was ich gebe – und damit mir selbst – keinen Wert bemesse.