Was für ein seltsames Wort, was für ein eigenartiges Konzept: um Ent-Schuldigung zu bitten. Sich zu ent-schuldigen ist nur möglich, wenn ich davor Schuld auf mich geladen habe. Aber was ist Schuld?

In jedem Fall, scheint es mir ein Konzept zu sein, das eng mit Glauben zusammenhängt. Nach allem, was ich weiß, nicht nur mit dem christlichen: in vielen Religionen dürfte es dieses Prinzip geben, dass ich mich als Mensch mit verschiedenen Handlungen „schuldig“ machen kann, für die ich mich dann ent-schuldigen sollte.

Womit kann ich mich schuldig machen? Mit dem Verletzen von Normen. Nicht nur religiösen, auch, und vor allem, gesellschaftlichen. Auch Atheisten entschuldigen sich.

Wenn ich mich nicht an eine Norm, eine Regel gehalten habe, wenn ich nicht „regulär“ nicht „normal“ bin, dann lade ich damit Schuld auf mich und muss mich entschuldigen.

Sich zu entschuldigen ist die Ausgleichshandlung um wieder normal zu sein, wieder in einen Normalzustand der Beziehung – zur Gesellschaft oder einer bestimmten Person – zurück zu kommen.

Ein seltsames Wort, ein seltsames Konzept – „Schuld“. Schuld ist das Druckmittel der Normierung: Weichst du von der Norm ab, machst du dich schuldig. Um wieder normal zu werden, um deine Beziehungen wieder zu „normalisieren“ musst du dich entschuldigen.

Was bedeutet das für ein künstlerisches, kreatives Leben? Kunst und Kreativität sind in erster Linie durch das Ausloten der Grenzen, das Überschreiten von Regeln und Normen möglich.

Künstler°innen laden daher permanent „Schuld“ auf sich, in dem sie nicht den Normen entsprechen, weil sie von den Regeln abzuweichen. Egal, ob es scheint, dass sie selbstbewusst dazu stehen oder ob sie zu denen gehören, die permanent – mit Worten oder durch die Art, wie sie leben – sich „entschuldigen“ – das Konzept der „Schuld“ schwebt weiterhin im Raum.

Wenn du Glück hast, haben die anderen dann Nachsicht. Dieses Wort gefällt mir schon viel besser. Etwas nach-sehen: nochmals ansehen, was passiert ist, einen neuen Blick darauf werfen, einen besonderen Blickwinkel darauf finden und Einsicht haben: ein-sehen, was die Motivation des anderen war, weshalb er oder sie von der Norm, der Regel abgewichen sind, das eigene Blickfeld erweitern.

Als Künstler°in, als Kreativer machst du dich schuldig, (um) anderen Einsicht zu ermöglichen.