Neapel ist eine unglaubliche Stadt und hat mich absolut positiv überrascht.

Sicherlich – es ist laut, wild, ungeordnet, heruntergekommen und chaotisch – aber das alles mit einem wunderbaren Charme, mit freundlichen Menschen, einer authentischen Stimmung, in der die Touristen, die durchaus zahlreich unterwegs sind, noch als Beiwerk, als Gäste gesehen und behandelt werden (und nicht als Mittelpunkt und als zu vermarktende Haupteinnahmequelle wie ich es aus den Innenstädten von Barcelona, Wien und Málaga kenne.)

Irgendwie hat es mich an das Barcelona der späten 80er Jahre erinnert, das wir in unserer Jugend kennengelernt haben, in dem es noch eben solche „vergammelte“ Straßen gegeben hat, mit einer Innenstadt, in der eher die Armen gelebt haben, während die Reichen in den eleganten Häusern der Gründerzeit außerhalb des Zentrums zu finden waren.

Heute ist es unbezahlbar im Zentrum Barcelonas zu leben – „dank“ Airbnb, über das mittlerweile praktisch der gesamte Wohnraum der Innenstadt vermarktet wird. Damals aber waren, aufgrund der heruntergekommenen Häuser, des schlechten Image und der hohen Kriminalität gerade in der Innenstadt die günstigsten Wohnungen zu finden.

Genau so scheint es heute noch in Neapel zu seine – mit Ausnahme der (nicht vorhandenen) Kriminalität, jedenfalls derjenigen, die offensichtlichen auf den Straßen zu sehen ist. Das ist ein Punkt, der wirklich erstaunlich ist. Im Zentrum Barcelonas der 80er, vor den olympischen Spielen, gab es eine ganz offene und weit verbreitete Straßenkriminalität, Prostitution, Drogenhandel, Junkies, die mit vorgehaltenem Messer Touristen ausraubten – so wie man es heute aus manchen Städten in Südamerika hört.

Diese Art von Kriminalität ist komplett verschwunden – und manchmal fragt man sich: wohin? Was ist aus all den Kleinkriminellen, Junkies, Zuhältern, etc. geworden bzw. weshalb haben sie heute keine Nachfolger mehr, weder in Barcelona, noch in Neapel und auch selten in anderen europäischen Städten?

Jetzt bin ich aber gewaltig vom Thema abgekommen, es hätte doch um Neapel und nicht um Kriminalität gehen sollen. Aber gut, da ich schon bei der „Unterwelt“ bin, mache ich doch mit der Unterwelt weiter – aber nicht metaphorisch, sondern real:

In Neapel gibt es eine weitverzweigte Unterwelt: Napoli Sotteranea. Schon die Griechen haben damit begonnen, in den Tuff, das ist das vulkanische Gestein, das den Untergrund von ganz Neapel bildet, große Höhlen und lange Gänge zu graben, um dort Wasser zu speichern. Wasser, das mit Aquädukten aus den nahen Bergen herbeigeschafft wurde. Die Römer haben dieses System weiter ausgebaut und zur Wasserversorgung der gesamten Stadt verwendet, das bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts in Verwendung geblieben ist – mehr als 2000 Jahre lang!

Im 2. Weltkrieg wurden diese Gänge und Höhlen zum Schutz der Bevölkerung verwendet, Hunderttausende überlebten die höllischen Bombardements von Neapel durch Briten, Amerikaner und später Deutsche in diesem unterirdischen Neapel. Heute sind Teile dieses Systems wieder zugänglich gemacht worden und können besucht werden, was wir getan haben: eine enge viereckige Wendeltreppe führt 40m in die Tiefe, danach kann man durch das System aus Gängen und Kammern wandern, ca. 4% des gesamten Systems sind zu besichtigen.

Darunter auch „private“ Kammern von höhergestellten Persönlichkeiten, während alle anderen dicht gedrängt darauf warteten, dass der Bombenhagel endet: die oben geltende Hierarchie wurde selbstverständlich ebenfalls mit in den Untergrund gebracht. Die Oberen waren selbst tief unter der Erde noch höhergestellt als der Rest.

An den Wänden haben sich einige derjenigen, die hier Zuflucht fanden, verewigt: Zeichnungen, Graffitis, die Persönlichkeiten und Ereignisse aus dieser Zeit abbilden – der Wille zum künstlerischen Ausdruck endete auch hier nicht.