Ich habe an die zehn Jahre im Ausland (in Spanien) gelebt – sieben Jahre in Barcelona, in meinen Zwanzigern, und dann nochmals 3 Jahre in Málaga, als ich schon über fünfzig war.
Beide Male hatte ich – mit meiner Arbeit, im täglichen Leben, bei Projekten und Treffen – sehr oft das Gefühl gehabt, an unsichtbare Grenzen zu stoßen. Grenzen, die ich nicht verstanden habe und die mich schließlich sehr entmutigt haben. Letztlich haben sie beide Male – neben einigen anderen, ebenso wichigen Faktoren – dazu beigetragen, dass wir wieder zurück nach Österreich zogen. Trotz Süden, Sonne, Tapas & Meer!
Heute weiß ich, und sehe es in aller Klarheit: es war (und ist) die Sprache. Genauer gesagt: meine Kenntnis der Sprache.
Denn Sprache ist ein Gradmesser der Kompetenz.
Leider, kann man sagen, denn jemand kann ausgesprochen kompetent sein, aber nur einfach nicht gut (und überzeugend) genug darüber reden, kommunizieren, können. Kognitiv können wir das verstehen, aber auf einer unbewussten Ebene bleibt trotzdem immer ein Rest an Zurückhaltung gegenüber jemanden, der Schwierigkeiten hat, sich sprachlich auszudrücken.
Das gilt übrigens nicht nur für Menschen im oder aus dem Ausland, mit anderer Mutter- als der Landessprache. Es gilt auch für Menschen, die Einschränkungen beim Hören oder Sprechen haben, ja selbst für Menschen, die einfach nicht „gut“ mit Sprache umgehen können und Schwierigkeiten haben, sich klar und flüssig auszudrücken.
Ich selbst kann relativ gut Spanisch, aber eben nur relativ. Sobald ein Thema komplexer wird, egal ob fachlich, oder einfach nur emotional – dann kann ich mich nicht annähernd so gut ausdrücken wie auf Deutsch. Ich suche nach Worten, mache grammatikalische Fehler – und das schlimmste: ich merke das auch selbst, und es behindert mich dann noch mehr, gut auszudrücken, was ich sagen will.
Auch gegenüber guten Freunden in Spanien hatte und habe ich oft das Gefühl, ihnen nicht so nahe sein zu können, wie ich gerne wäre und ich spüre, dass eine größere Übereinstimmung auch auf sprachlicher Ebene einen noch intensiveren, persönlicheren Austausch ermöglichen könnte.
Würde ich je wieder nach Spanien gehen, wäre die allererste Sache, die ich mit vornehme, einen Sprachkurs für Fortgeschrittene zu belegen und zusätzlich Privatstunden zu nehmen, so lange, bis ich mich wirklich „nativ“ ausdrücken kann, in einer ähnlichen Flüssigkeit und Selbstverständlichkeit wie auf Deutsch.
Im täglichen Leben geht das nämlich nicht. Wir „lernen“ zwar die Sprache durchs Reden wenn wir im Land sind, aber eben nur auf einer sehr basischen Ebene. Sobald wir uns mit den Menschen rund um uns halbwegs verständigen können, ist kaum mehr ein weiterer Fortschritt da, wenn wir uns nicht aktiv darum bemühen und wirklich gezielt lernen.
(Darüber habe ich auch hier geschrieben: Erfahrung bringt gar nichts.)
Mein Rat daher an Freunde und Bekannte, an Menschen, die mit fremder Muttersprache hier in Österreich oder in Deutschland leben – und ich hoffe jedesmal aus tiefstem Herzen, dass sie ihn mir nicht übel nehmen und es als Chauvinismus auslegen – aber auch mein Rat an Menschen mit deutscher Muttersprache, die jedoch sprachlich „nicht so gut“ sind:
Verbessere deine Ausdrucksmöglichkeiten auf Deutsch.
Und zwar gezielt, durch einen Kurs oder Privatstunden. Nicht im privaten Kreis, nicht mit Familienangehörigen oder Freunden, sondern mit einem „echten“ Lehrer, der gezielt darauf achtet, dass du Fortschritte machst. Der dich sanft aber konsequent verbessert, bis es wirklich im Unbewussten angekommen ist, so wie wenn man ein Instrument wirklich gut lernen und beherrschen möchte.
Englischsprachige Menschen scheinen es diesbezüglich übrigens besonders schwer zu haben, weil die meisten Menschen hier bei uns froh sind, wenn sie mit ihnen Englisch reden und so ihr eigenes Englisch üben können. Das ist gut für sie und auch einfach und praktisch für den Englischsprechenden, hilft ihm aber nicht wirklich weiter. (Sofern meine These stimmt, dass Sprache ein wichtiger Faktor ist, um in einem Land und einer Gesellschaft „anzukommen“).
Außerdem: im täglichen Leben und gar von seinen Liebsten mag man wirklich nicht permanent ausgebessert werden.
Ich kenne jedenfalls mehrere Amerikaner, Engländer, Neuseeländer, Australier die seit Jahrzehnten in Österreich oder Deutschland leben und immer noch genau so gut oder schlecht sprechen wie nach dem ersten Jahr hier. Die meisten bewegen sich auch in Umgebungen, wo sie fast nur Englisch sprechen und verwenden Deutsch nur im Supermarkt und für grundlegende Alltagskonversationen.
Bei vielen ist auch ihr Arbeitsfeld hauptsächlich auf Englisch ausgerichtet und da fühlen sie sich natürlich „wie der Fisch im Wasser“. Oft denken sie auch, dass diejenigen, die sie engagieren, die mit ihnen arbeiten, denen sie beruflich begegnen, ohnehin Englisch sprechen und sie vor allem wegen ihrer fachlichen Kompetenz wertschätzen, die Sprache somit keinen so wichtigen Aspekt darstellt.
Aber überschätzt bitte nicht die Reflektionsfähigkeit der Menschen!
Auch nicht der Gebildeten, der kulturell Offenen, der uns Nahestehenden. Unbewusst bleibt oft ein unausgesprochener Rest, der fast immer mit der Sprache zu tun hat.
Hätte ich all dies hier in meinem miserablen Englisch gesagt oder geschrieben, dann hätten meine englischsprachigen Bekannten wahrscheinlich freundlich und verständnisvoll genickt. Aber ob sie die Botschaft wirklich „ernstgenommen“ hätten, bezweifle ich. Auch in den USA und in England sind es vor allem jene Immigranten, die rasch und hervorragend Englisch lernen, die am schnellsten und besten in der Gesellschaft ankommen – und sich auch selbst so fühlen.
Ich spreche übrigens bewußt nicht von „integrieren“ – der Anspruch oder Zwang, dass Zugezogene sich möglichst „integrieren“ sollten, ist eine ganz andere Sache, der ich absolut skeptisch gegenüber stehe. Es ist ein Machtanspruch der „Eingesessenen“, den ich nicht teilen kann und sogar schädlich für die Fortentwicklung unserer Gesellschaft und Welt halte. Ich meine nicht „integrieren“ sondern: sich selbst in einem Land, einer Umgebung „angekommen“ zu fühlen, also wohl zu fühlen, als wirklicher Teil seiner umgebenden Lebenswelt zu fühlen, also etwas, das von innen heraus empfunden – und nicht von außen heraus verordnet und beurteilt – wird.
So kann ich also, wenn ich diesen Tipp „Arbeite an deiner Sprachfertigket“ ausspreche – egal ob bei Fremdsprachigen oder Muttersprachlern – jeweils nur hoffen, dass ich damit keine Grenze überschritten habe. Ich finde es prinzipiell bewunderungswürdig, wenn jemand sich überhaupt die Mühe macht, als Erwachsener eine neue Sprache zu lernen, sich einer neuen Sprach-, Denk- und Lebenswelt auszusetzen! Wenn es möglich ist, möchte ich mich, ungeachtet der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten, mit interessanten Menschen ausführlich unterhalten, egal ob auf Deutsch, Englisch oder Spanisch. Ich will aber trotzdem diese meine Gedanken über das Kompetenzgefühl, das Sprache vermittelt, teilen und auch meine eigenen Erfahrungen und Reflektionen zu diesem Thema einbringen, einfach weil ich finde, dass es oft übersehen und nicht ausgeprochen wird – unter anderem auch aus der Angst heraus, dass ein solcher Hinweis auf die Sprachkompetenz als „Fremdenfeindlichkeit“ falsch eingeschätzt wird, die Anderen verletzt oder beleidigt.
Ungefragte Ratschläge sind nicht immer willkommen, und gerade als Coach sollte ich das wissen.
Ich tue es trotzdem weiterhin, wenn ich Sympathie und Wertschätzung für jemanden empfinde und wenn ich irgendwie spüre, dass er oder sie sich hier nicht wirklich „zu Hause“, nicht „angekommen“ oder „angenommen“ fühlt – so wie ich selbst es in meinen Jahren in Spanien gerne gehabt hätte.
…und wie ich es gerne haben würde, sobald ich mich – was sicher ist – wieder woanders (vorübergehend oder länger) ansiedeln werde!


Peter Hauptmann, art!up Coach
Bild: Hauswand in Santiago de Chille, fotografiert am 29.4.2016, Karin Schäfer