Eine Grundeigenschaft aller Materie scheint das Prinzip der Verzweigung zu sein.
Praktische alles, was wächst, nicht nur Lebendiges, sondern auch anorganische Materie, beginnt sich an irgendeinem Punkt zu verweigen.
Dem liegt wohl das scheinbar ebenfalls universelle Prinzip des Teilens zu Grunde, des Auf-teilens: sobald eine bestimmte Größe oder Länge erreicht ist, tendieren Materie und Systeme dazu, sich zu teilen.
Teilen ist übrigens etwas anderes als Zerfallen: das Geteilte bleibt in irgendeiner Form miteinander Verbunden, es bleibt eine Beziehung aufrecht, die allerdings unterschiedliche Stärken und Ausformungen annehmen kann.
Das Prinzip des Verzweigens ist eine Sonderform des Teilens, bei der die Verbundeheit besonders ausgeprägt ist: die aufgeteilten Zweige bleiben über den verbindenden Ast und Stamm aneinander gebunden. So lange, bis auch sie sich irgendwann abspalten und auf-teilen.
Sobald man dieses Prinzip der Verzweigung wahrnimmt, lässt es sich überall feststellen:
Von chemischen Reaktionen, über physikalische Eregnisse, sogar in mathematischen Strukturen – bis hin zum Wachstum lebendiger Wesen und weiter darüber hinaus: auch in den sozialen Systemen der Lebewesen spielt die Verzweigung eine entscheidende Rolle – ebenso im Denken und Handeln dieser Lebewesen.
Selbstverständlich und klar wahrnehmbar natürlich auch bei uns Menschen.
Im Prinzip ist unser gesamter Denkprozess ein System der Verzweigung. Ein Gedanke führt zwangsläufig zum nächsten. Die Gedanken bleiben über die Assoziationskette miteinander verbunden und spalten sich dabei in immer weitere Verzweigungen auf. Wir denken immer weiter und unsere Gedanken werden immer vielfältiger und unterschiedlicher, diverser.
Verzweigungen sind die Basis und Voraussetzung aller Kreativität.
Nur durch dieses Aufspalten, Teilen und Verzweigen kommt Kreativität, kommt Neues zustande.
So gesehen ist Kreativität keine Eigenschaft von uns Menschen, sondern ein universelles Prinzip, das vom ersten Tag der Existenz dieses Universums dazu geführt hat, dass beständig Neuartiges entsteht.
Neue Formen und Variationen entspringen diesen Verzweigungen, es gibt nichts Neues, das nicht aus Vorangegangenem entsprungen ist und mit diesem weiter zusammen hängt.
Dies gibt Hoffnung in jeder Hinsicht.
Es gibt – zum Beispiel – keinen Weg ins Verderben, weil jeder Weg früher oder später zwangsläufig Verzweigungen hervorbringt, einfach, weil dies ein unverselles Prinzip ist.
Es gibt ebenso kein Ende der Kreativität, weil jeder Gedanke dem man nachgeht, ebenso zwangsläufig Verzweigungen hervorbringt und jede Verzweigung der Ausgangspunkt neuer Variationen – und damit aller Kreativität – ist.
Auch dieser Text gelangt hier an eine Stelle, an der er sich verzweigt:
Auf dem einen Ast werde ich diesem Prinzip des Verzweigens und der Tatsache, dass dies die universelle Ursache von allem „Neuem“ ist, nachgehen.
Auf dem anderen Ast werde ich darüber nachdenken, was dieses Prinzip für jeden einzelnen Menschen, der kreativ ist oder sein möchte, bedeutet.
Auch dieser Ast wird sich dann weiter aufspalten, denn ich werde zeigen, dass zu viel Verzweigungen – und damit zu viel Kreativität – auch eine Gefahr beinhalten.
Beides aber an einem anderen Tag. Denn wie dies bei Wachstum und Verzweigung so üblich ist, benötigt jedes Ding, jeder Vorgang und jeder Gedankengang seine Zeit, auch ich und meine gedanklichen Verzweigungen benötigen diese Zeit – deshalb mehr dazu hier, in Kürze.