Was soll das überhaupt, dieses Projekt, einen täglichen Blog zu führen? Vor dem Hintergrund meiner Zwangspause durch Krankheit muss und möchte ich mir diese Frage nochmals stellen.
Das ist eigentlich auch schon der Kern: „mir die Frage stellen“. Es ist ein selbstbezogenes Projekt. Ich schreibe über das, was mich gerade beschäftigt. Ich taste jeweils einen Gedanken ab, hantle mich an einer Gedankenlinie entlang, schaue, was sich dazu in meinem Denken so finden lässt.
Es ist eine Fingerübung, eine Etüde. Ich möchte besser schreiben können und ich möchte auch mehr schreiben, bald schon ein Buch, gerne mehrere Bücher, auch über verschiedene Themen und in verschiedenen Stilen.
Als Coach bin ich der festen Überzeugung, dass alles was wir uns vornehmen, „machbar“ ist – in dem Sinne, dass wir herausfinden, wir WIR das machen können.
Vielleicht ist dieser Satz in der Einzahl klarer und richtiger:
Alles was ich mir vornehme, ist machbar, in dem Sinne, dass ich herausfinde, wie ICH das machen kann.
Kann – nicht könnte. Denn es geht darum, die Dinge auch wirklich zu tun, um herauszufinden, ob und dass sie machbar sind.
Deshalb überlege ich nicht nur, wie ich ein Schriftsteller werden könnte, ich tue es, Tag für Tag, um es zu werden. Lernen durch tun, das erscheint logisch, ist aber nicht selbstverständlich.
Natürlich könnte ich auch einfach für mich schreiben, im Geheimen, im stillen Kämmerchen (na gut, ich bin ohnehin gerade im stillen Kämmerchen – gemeint ist: ohne es zu veröffentlichen).
Aber gerade dieses Wissen, dass diese Texte auch gelesen werden könnten – und zwar nicht irgendwann, sondern ganz frisch, Tag für Tag – gibt ihnen aus meiner Sicht einen anderen Kontext. Es sind öffentliche Etüden.
Ich brauche das Wissen, dass sie gelesen werden (könnten), um sie so zu schreiben, wie ich es tue. Ich brauche eine Trainingspartnerin, einen Sparringpartner, so wie man z.B. auch Tennis nur sehr schwer alleine üben kann: die Vorstellung des Lesers, der Leserin, gehört zum Text dazu, ist Teil seiner Verfertigung. Es geht auch nicht, dass ich mich selbst „beschummle“, also mir die Leserin nur denke – ich muss wissen, dass es möglich und real ist, dass diese Texte gelesen werden.
Um’s Feedback geht es dabei mir dabei weniger, das ist mir nicht so wichtig, wie die Vorstellung, dass der Text per se wahrgenommen wird, dass die Gedanken in einem anderen als meinem Kopf Platz finden und sich dort ausbreiten, verändern, ihre Gestalt wechseln können, zu neuen Gedanken in einem fremden Kopf werden.
Etwas anderes will ich eigentlich nicht bewirken. Ich möchte diese Texte, meine Gedanken, nicht „verbreiten“, „teilen“ oder „öffentlich machen“ – so wichtig sind sie nicht, so wichtig bin ich nicht. Ich möchte nur wissen, dass diese auch außerhalb meiner, ausserhalb meines Kopfes existieren, sich an einem realen Ort in dieser Welt befinden (denn auch ein digitaler Blog ist in der heutigen Welt ein realer Ort, so absurd das scheinen mag) und dass sie dort wahr-genommen werden können.
Ein bisschen ist es wie öffentliches Gärtnern: einen Garten oder ein Gemüsefeld anlegen, an dem sich jede°r bedienen kann. Wer will, kann sich eine schöne Blüte abpfücken und anstecken, oder eine Frucht, ein Gemüse kosten, etwas anderes, neues daraus machen, an der Stelle weiterspinnen, an der ich aufhöre.
Und genau das mache ich jetzt auch. Ich höre auf ( für heute) – gerne kannst du, liebe°r Leser°in hier weiterspinnen…
#kunstfairteilen : Graffiti in Sao Paolo, Brasilien, unbekannte°r Künstler°in, Foto von Karin Schäfer, 2016